Die Kunst der überzeugenden Gesprächsführung, die zu win-win Situationen führt

Verhandeln tut jeder von uns! Ständig! „Stimmt nicht!“ sagen Sie. Doch! Sie führen Verkaufsgespräche mit potenziellen Kunden, Preisverhandlungen mit Lieferanten und/oder Kunden und besprechen mit Ihren Kollegen, wer/was/wann/wo. Zielvereinbarungsgespräche mit Ihrer/m Vorgesetzten sind Verhandlungen. Sie verhandeln mit Ihren Kindern, wann die abends zu Hause sein müssen. Sie diskutieren mit Ihrem Partner/ Ihrer Partnerin, wo es im nächsten Urlaub hingehen soll oder welches Fernsehprogramm am Abend gewählt wird. Zwar ist der Gesprächsinhalt unterschiedlich, und manche dieser Verhandlungen sind bedeutender für Ihr Leben, haben einen grösseren Einfluss auf die Zukunft, auf das Unternehmen, auf den Profit, auf Ihr Ansehen als andere. Aber im Endeffekt sind es alles Verhandlungen und das Ergebnis hängt von Ihrem Verhandlungsgeschick ab.

Dabei kommt es auf die von Ihnen gewählte Strategie an. Es gibt die Dampfwalzen, die sich um jeden Preis durchsetzen wollen/müssen, denen das Gegenüber völlig egal ist, die ihre Macht zu ihrem eigenen Vorteil ausspielen. Diese Menschen werden kurzfristig vielleicht das bestmögliche Ergebnis für sich erzielen. ABER. Wie sieht es mittel- und langfristig aus? Natürlich, wenn sie die Monopolstellung auf ihrem Markt haben, können sie ihre Position immer wieder gewinnbringend einsetzen. Vielleicht kommt aber der Tag, an dem sie ihr Monopol verlieren und mit einem Mitbewerber konkurrieren müssen oder der Kunde/Lieferant hat einfach genug von diesem Spiel und steigt aus. Was machen sie dann? Sie verlieren nicht nur diesen Deal, ihr Ruf ist auch nachhaltig ruiniert. Keiner möchte mehr mit ihnen Geschäfte machen.

Dampfwalzen müssen sich um jeden Preis durchsetzen.

Und dann gibt es die Netten, die immer wieder nachgeben, die sich unterwerfen, auf ihre eigenen Ziele verzichten und denen die Harmonie wichtiger ist als das Ergebnis. Es ist sicherlich angenehm, mit diesen Menschen zu verhandeln – bekomme ich doch alles, was ich will. Aber irgendwann kommen auch die Netten an den Punkt, wo sie sich diese Strategie finanziell oder moralisch nicht mehr leisten können.

Dann gibt es noch die Straussen-Taktik. Danach “glaubt“ derjenige ja, wenn er seine Gegner nicht sieht, weil er den Kopf in den Sand gesteckt hat, würden ihn diese auch nicht sehen. Dieser Verhandlungstyp tut also nichts, er wird eine Verhandlung vermeiden, verzögern, das Problem/das Thema ignorieren. Auch das funktioniert eine Weile, aber nicht auf Dauer.

Diese drei Verhaltensweisen werden in einer win-lose, oder lose-win oder sogar lose-lose Situation enden. Langfristig sind sie nicht erfolgreich, nicht profitabel, nicht beziehungs- und vertrauensfördernd.

Ein schon positiver Ansatz ist der des Kompromisses. Jeder geht einen Schritt auf den anderen zu, und man trifft sich in der Mitte. Für mich ist das vergleichbar mit dem Feilschen auf einem Markt. Alle, die schon einmal auf arabischen Märkten waren, kennen das Spiel. Es ist wie ein Tanz: Jeder sagt seinen Preis, und in den meisten Fällen trifft man sich irgendwo dazwischen. Beide haben einen Kompromis geschlossen. Also win-win. Diese Verhandlungen sind in der Regel nicht sehr folgenschwer für die Parteien. Oftmals sind es einmalige Intraktionen die keine langfristig gut funktionierenden Geschäftsbeziehung brauchen.

In Situationen, in denen das Ergebnis für mich wichtig ist, gehe ich einen anderen Weg. Ich lade meinen Verhandlungspartner zu einer kreativen Zusammenarbeit ein. Dabei versuche ich, eine gut funktionierende Beziehung aufzubauen, die auf gegenseitigem Vertrauen beruht. So erfrage ich seine Interessen, wir entwickeln gemeinsam Optionen, wobei wir neutrale Kriterien ansetzen, um die gefundenen Möglichkeiten zu evaluieren. Schlussendlich erzielen  wir ein für beide Seiten akzeptables Verhandlungsergebnis, das in der Regel profitabler ist als ein Kompromis. Das ist das Verhandeln nach dem Harvard Konzept.

Roger Fisher ist der Urvater dieses Verhandlungsmodells, das seit vielen Jahren an der Harvard Law School in den USA gelehrt wird. Er selber hat es in unzähligen Situationen getestet, verfeinert und weiterentwickelt. So hat er z.B. die iranische und amerikanische Regierung 1981 beraten, als es um die Freilassung amerikanischer Geiseln ging.

Anfänglich definierte er nur vier Grundprinzipien:

  1. Sachbezogen diskutieren
  2. Interessen abwägen
  3. Optionen suchen
  4. Beweise erbringen

Gehen wir ins Detail:

1. Sachbezogen diskutieren. Was heisst das? Sie betrachten hierbei den Verhandlungsgegenstand – das Thema – getrennt von Ihrem Verhandlungspartner. In der Sache können Sie hart sein, aber weich zur Person. Sie geben nicht nach. Sie stecken den Kopf nicht in den Sand, sondern Sie stellen sich dem Thema. Zu beachten ist, dass ich bewusst von einem Verhandlungspartner und nicht Verhandlungsgegner spreche. Die beteiligten Parteien sitzen auf derselben Seite des Tisches, sie verfolgen dasselbe Ziel: win-win. Probleme können hier entstehen durch unterschiedliche Wahrnehmungen, Vorstellungen und unprofessionelle Kommunikation. Lösungen hierbei sind z.B.: konzentriertes Zuhören, wobei Sie Ihren Verhandlungspartner aussprechen lassen, gezieltes Fragen und ein bewusster Einsatz Ihrer Körpersprache.

2. Interessen abwägen bedeutet nicht, nur die Position Ihres Verhandlungspartners zu verstehen, sondern auch seine wahren Interessen. Das WARUM will jemand etwas? WARUM will jemand etwas nicht? Probleme hierbei sind oft verhärtete Positionen und versteckte Interessen. Ihr Lösungsansatz wäre gekennzeichnet durch Zuhören und Fragen. Indem Sie Fragen stellen, lernen Sie Ihren Verhandlungspartner und dessen Motivation immer besser kennen. Sie verstehen, was wichtig, was unwichtig, was notwendig, was wünschenswert, was verboten ist. Es ist eine Kunst, Fragen so zu stellen, dass der andere sich nicht in die Ecke gedrängt fühlt, sondern erkennt, dass Sie ein echtes Interesse haben, ihn/sie zu verstehen. Das bedeutet: erst verstehen, dann verstanden werden.

3. Optionen suchen meint das Entwickeln gemeinsamer Lösungsalternativen. Hier steht jetzt das „Gemeinsam“ im Vordergrund. Natürlich haben Sie sich im Vorfeld schon mögliche Optionen überlegt. Wenn Sie diese allerdings einfach nur präsentieren, kann es sein, dass sich Ihr Verhandlungspartner „überrannt“ fühlt. Deshalb Achtung! Nicht glänzen wollen mit brillanten Ideen, sondern den Partner einladen, gemeinsam Optionen zu finden. Ein Problem zu diesem Zeitpunkt könnte sein: Sie glauben, dass es nur eine richtige Lösung gibt und dass Sie diese schon kennen. Die Lösung wäre: Bleiben sie offen für neue Ansätze und Ideen, identifizieren Sie gemeinsame Interessen und setzen Sie Kreativitätstechniken ein.

4. Im letzten Schritt – Beweise erbringen – einigen Sie sich mit Ihrem Verhandlungspartner auf neutrale Beurteilungskriterien für Ihre gemeinsam gefundenen Optionen. Das können gesetzliche Vorgaben, TQM, Best Practice, ISO Vorschriften u. ä. sein. Danach werden die Optionen evaluiert. Bestimmte Lösungen können gestrichen werden, andere nicht. Diese Kriterien sollen Ihnen und Ihrem Partner im Endeffekt helfen, die für Sie beide beste Lösung zu finden.

Diese vier Grundprinzipien wurden von Roger Fisher und seinem Team im Laufe der Jahre erweitert, so dass das aktuelle Harvard Konzept noch umfassender und damit effizienter ist. Natürlich können Sie sich einen Überblick über das Konzept im gleichnamigen Buch verschaffen. Damit aber das ganze Potenzial dieses Modells zum Tragen kommen kann, empfehle ich Ihnen, ein Seminar zu buchen. Auf diese Weise haben Sie die Gelegenheit, Ihr eigenes Verhandlungsgeschick zu reflektieren, Ihre Stärken und Schwächen zu erkennen und die Prinzipien des Harvard Modells in einem sicheren Rahmen auszuprobieren. Dazu lade ich Sie recht herzlich ein.