Wenn es um Führung geht, geht es IMMER auch um Kommunikation. Wie hat Watzlawik schon gesagt? «Man kann nicht nicht kommunizieren.» Den Satz sollte sich jeder von uns mal auf der Zunge zergehen lassen. Ganz langsam wie ein gutes Stück Schokolade. «Man kann nicht nicht kommunizieren.» Was heisst das eigentlich in unserem Alltag?

Auch wenn ich mich entscheide, nichts zu sagen, nicht zu kommentieren, keinen Widerspruch einzulegen, ich kommuniziere immer noch. Mein Nichts-Sagen, sagt auch etwas aus. Mich rausnehmen wollen vielleicht aus dem Konflikt, der Situation, geht gar nicht. Auch wenn ich meine Meinung nicht sage, automatisch bekräftige ich die der anderen Person. Völlig unbewusst, vielleicht auch ungewollt. Und doch ist das das Ergebnis.

Mehr als nur das gesprochene Wort

Und dann gibt es ja neben dem gesprochenen Wort auch noch die Körpersprache. Und ja, ich weiss, oftmals wird die zu stereotypisch interpretiert. Aber lassen wir das mal beiseite. Unser Körper spricht Bände, auch wenn unser Mund geschlossen ist. Wie stehe ich da. Wie bewege ich mich im Raum. Wie schauen meine Augen. Wie sind eigentlich gerade meine Mundwinkel? Lächele ich oder schaue ich düster drein? Und meine Körperhaltung? Aufrecht? Gebeugt? Vielleicht sogar Gebeutelt? Es gibt tausende von Muskeln die uns völlig entgleiten und unsere Körpersprache ausmachen. Deshalb können Experten auch, wenn sie Menschen super genau beobachten auch, unglaublich viele Schlüsse ziehen. Malcom Gladwell[1] beschreibt z.B. in seinem Buch «Blink» die Forschungsarbeit von John Gottmann, einem Psychologen an der Universität von Washington, der seit den 80 Jahren weit über 3000 Paare in sein «Love Lab» einlädt und dort ein Gespräch auf Video aufzeichnet. Anschliessend analysiert er es und, was fast unglaublich ist, kann mit 95% Sicherheit vorhersagen, ob das Ehepaar in 15 Jahren noch verheiratet ist oder nicht. Und das alles nur durch das Beobachten und genaue Hinhören.

Aber kommen wir zu meiner 12-jährigen Tochter zurück.

Meine 12-jährige Tochter hat eine ganz «interessante» Art, um Hilfe zu bitten. Wenn es also um z.B. das Abräumen des Essenstisches geht, und ihr Papa nicht schon in der Küche steht, um mitzuhelfen, dann hat sie so eine Art, ihm das unter die Nase zu reiben. «Papa, und was machst du?» Für mich klingt es nach einer ziemlich unhöflichen Aufforderung. Schon fast nach einer Anschuldigung, so nach dem Dreh «Warum hilfst du eigentlich nicht mit?» Wenn ich sie darauf aufmerksam mache, sagt sie ganz unschuldig dreinblickend, dass sie ja nur eine Frage gestellt hat. Für mich klingt es nur nicht nach einer Frage, sondern nach etwas anderem. Jetzt können wir natürlich sagen, das ist nicht mein Problem, wenn der Andere mich missversteht, ABER, vielleicht, zeigt sich auch in der Art und Weise wie wir sprechen, ganz unbewusst, was wir ehrlich sagen wollen würden, uns aber nicht trauen. Und doch kommt es zum Vorschein und zeigt sich. Denn wir Menschen sind Wunderwerke. Wir hören nicht nur, was gesagt wird mit unseren Ohren, sondern unser Bauchgefühl hört mit. Und wenn der etwas spürt, was nicht zum gesprochenen Wort passt, dann reagiert er mit – «Mmhh, das ist aber komisch, das glaube ich nicht…» Und grundsätzlich, ob wir es nun wollen oder nicht, werden wir zuerst auf dieses Bauchgefühl hören und dem entsprechend reagieren. Da können wir noch so sehr alles analysieren und reflektieren. Glaub mir, im Endeffekt gewinnt der Bauch. Und dann sind wir schon mitten im Missverständnis, im Konflikt. Denn, wenn unser Bauch genervt, wütend, enttäuscht reagiert, fühlt sich unser Gegenüber angegriffen und wird sich verteidigen wollen. «Nein, das habe ich so nicht gesagt.», oder so etwas in der Art werden wir hören. Unser Gegenüber will sich verteidigen. Und was vielleicht auch noch passieren kann, ist das unser Gegenüber sich «ertappt» fühlt. So nach dem Dreh, «wenn ich ganz ganz ehrlich bin, habe ich es genau so gemeint, habe mich aber nicht getraut, es zu sagen. Zu dumm, dass du es gespürt hast. Aber recht geben kann ich dir auch nicht, denn dann würde ich mein Gesicht verlieren.»

Und meine Ärztin, was hat sie mich gelehrt über Kommunikation?

Nun, Ärzte sind aus meiner Sicht eine ganz besondere Spezies Mensch. Nicht böse gemeint. Ausgepolstert mit extrem viel Fachwissen und immer wieder eingeengt in den zeitlichen Rahmenbedingungen, die von aussen vorgegeben werden, suchen sie nach einem Weg, um mit dem Patienten ins Gespräch zu kommen. Und ich könnte mehrere Artikel nur zu dem Thema verfassen. Aber heute und hier nur ein ganz bestimmter Gedanke: Wir Patienten sind im Spannungsfeld zwischen dem Gefühl des hilflosen Kindes, dass nur gesagt bekommen möchte, dass alles gut wird, und dem Erwachsenen in uns, der mitentscheiden, mitdenken und ganz wichtig auch GEFRAGT werden möchte. Und in diesem Spannungsfeld gilt es uns abzuholen. Das ist nicht einfach, nein, dass ist wahnsinnig schwer. Und jeder Patient ist anders. Wie auch jeder Arzt anders ist.

Ich gebe mal zwei ganz konkrete Beispiele, wo sich dieser Spannungsbogen zeigt. Erste Situation: Stell dir vor, ich hatte ein MRI vor ca. 1-2 Wochen und sitze jetzt beim Arzt, um das Ergebnis zu erfahren. Grundsätzlich ist die erste Frage immer «Wie geht es Ihnen?» Und ich könnte schon losschreien. Ich habe null Interesse, diese Frage zu beantworten, denn ich kann es gar nicht. Abhängig vom Ergebnis des Tests, geht es mir entweder super oder genau das Gegenteil. Was ich hier also brauche, ist ein Gesprächspartner, der wahrnimmt, dass Small Talk uninteressant ist, und ich nur Wissen möchte, damit ich endlich den angehaltenen Atem rauslassen kann.

Zweite Situation: Es geht darum ein ganz besonders MRI zu machen. Die Ärztin hat entschieden, dass es Sinn macht und möchte mich für einen Termin aufbieten. Hier finde ich mich als erwachsene Person völlig übergangen. Ich weiss fachlich nicht, welchen Mehrwert dieses MRI hat, wurde mir ja auch nicht erklärt. Und jetzt fühle ich mich fremdbestimmt. Natürlich, sie will nur das beste für mich. Allerdings wäre das beste gewesen, zu sagen. «Frau Förster, ich würde gerne das und das machen, damit wir… um…!» Dann hätte ich mitentscheiden können.

Quintessenz

Vielleicht liesst es sich als Haarspalterei. Aber vielleicht auch nicht. Wir Menschen sind sehr sensible. Und reagieren, wie oben beschrieben, nicht nur auf das, was wir hören und sehen, sondern was wir spüren. Um dem Gerecht zu werden im Führungsalltag, ist es wichtig, sich immer wieder auch selbst zu hören und zu beobachte, wie wir sprechen und was unser Körper dabei macht. Sich Rückmeldungen von anderen einholen kann helfen. Aber halt auch hinhören, wenn jemand gereizt auf etwas reagiert, was wir gerade von uns gegeben haben. Du siehst also, was und wie wir etwas sagen, gewollt, ungewollt, bewusst, unbewusst, löst immer etwas im Gegenüber aus. Und mit dem, was es auslöst, müssen wir uns dann auseinandersetzen. Im Team. Im Einzelgespräch. Und sogar mit uns selbst. Kommunikation ist eines meiner Lieblingsthemen. Warum? Weil es so verdammt kompliziert ist. Und genau das liebe ich.


[1] Gladwell, Malcolm (2005): Blink!: Die Macht des Moments. Campus Verlag; Auflage. S. 18-23.